Kitzbüheler Anzeiger
08.11.2018
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Reither Nahversorger sperrt zu

Am 24. November sitzt Leonhard Oberlindober zum letzten Mal an der Kassa des „Nah & Frisch“-Marktes im Reither Ortskern. „Wegen des drastisch geänderten Einkaufsverhaltens“, so Oberlindober, muss er den Laden schließen.

Reith  | Über 23 Jahre lang war Familie Oberlindober als Nahversorger für die Reither Kunden da. „Wir wollten eine Grundversorgung schaffen, vom Schulheft über die Nagelfeile bis hin zu Frischfleisch“. Seit einigen Jahren war allerdings ein Rückgang der Nachfrage spürbar. „Im Ortskern ist relativ wenig Bewegung, es gibt kaum Laufkundschaft“, führt der Greißler aus. Der Nah & Frisch-Markt liegt zwar zentral im Dorf, allerdings ist er für den Durchzugsverkehr „unsichtbar“, wie Leonhard Oberlindober betont. Hinzu kommt für den Ladenbetreiber noch Konkurrenz in der Peripherie sowie ein schleichender Wandel in der Reither Bevölkerung. „Unsere Generation verkauft, wer nachkommt sind Zweitwohnsitzler. Die Häuser werden immer kürzer bewohnt.“

Das Geschäft habe sich besonders in den vergangenen zwei bis drei Jahren „dramatisch verschlechtert“, daher  war man gezwungen, die Konsequenzen zu ziehen.

Zum Kundenservice des Lebensmittelmarktes gehört bekanntlich auch seit neun Jahren die Postpartnerstelle in Reith.  „Wir schauen um Alternativen“, unterstreicht Bürgermeister Stefan Jöchl im Gespräch mit dem Kitzbüheler Anzeiger.

Aber auch Services wie Trafik und ein großes Zeitschriftensortiment sowie eine Anlaufstelle für den Mittagsimbiss fallen nun im Dorfzentrum weg. Ob eine Nachfolge fixiert werden kann, steht noch nicht fest – generell bemüht sich die Gemeinde Reith um ein entsprechendes Angebot im Dorfkern.

Dorferneuerungsprojekt zur Ortskernbelebung

„Die Ausdünnung des Ortskerns passiert in ganz Tirol“, sagt Bürgermeister Jöchl. Um gegenzusteuern startet die Gemeinde Reith im kommenden Frühjahr ihren Dorferneuerungsprozess. „Wir wollen die Bürger zu Treffen und Dorfcafés einladen.“ Ein professioneller Coach betreut und leitet den Prozess. Es gibt zudem eine Förderung über die Dorferneuerungsabteilung des Landes.

Das Ganze entsteht aus der Bevölkerung heraus, „bottom-up“, wie Jöchl unterstreicht: „Wir gehen zu den Bürgern und Wirtschaftsbetrieben und versuchen, Ideen zu erarbeiten und zu kanalisieren, damit davon Impulse ausgehen.“

Ein Patentrezept gegen das geänderte Kaufverhalten hat auch der Reither Ortschef nicht. Denn viele Bürger, die auswärts arbeiten, gehen dann in der Nähe ihres Jobstandortes einkaufen bzw. suchen gleich die großen – oder besonders günstigen – Anbieter auf. Wie die aktuelle Kaufkraftstudie der Leaderregion aufzeigt, beträgt die Kaufkrafteigenbindung in Reith 21 Prozent. In der Region ziehen besonders die Standorte St. Johann und Kitzbühel die örtlichen Kunden an – und somit weg von der eigenen Wohngemeinde.

Zum Thema „ versteckter Zweitwohnsitz“ erläutert der Bürgermeister, dass die Möglichkeiten einer Gemeinde zum gegensteuern enden wollend sind. „Wir kämpfen darum, leistbaren Wohnraum für Einheimische zu schaffen.“ Wer in Reith lebt, seine Kinder dort zur Schule schickt und die Gemeinschaft teilt, „bedeutet schließlich das größte Plus für einen Ort“, so Jöchl. Allerdings gibt er zu bedenken, dass auch die Einheimischen heutzutage „anders“ einkaufen. „Da wird sich vielleicht das Angebot ändern müssen. Wir sind mit unserem Prozess dabei, das abzufragen.“

Dass es dann für den Lebensmittelmarkt im Ortszentrum zu spät sein wird, bedauert der Bürgermeister: „Meistens merkt man erst, was man verloren hat, wenn es auf einmal fehlt.“

Leonhard Oberlindober und seine Familie bedankten sich indessen herzlich bei der Reither Bevölkerung: „Vielen Dank unseren Kunden. Trotz allem gab und gibt es viele, die uns die Treue gehalten haben.“ Elisabeth Galehr

 
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