Kitzbüheler Anzeiger
19.06.2018
News  
 

Langeweile ist ein kostbares Gut

In Zeiten von Instagram und Co. ist selbst der Urlaub zum Eventmarathon verkommen: Die eigentliche Funktion, die Erholung, kommt dabei oft zu kurz. Somit fällt es hinterher auch immer schwerer, das hohe Tempo im Arbeitsalltag aufrecht zu erhalten, sagt Führungskräfte-Coach Fleur Wöss.

Reith  | „Innehalten“ ist daher auch ihr Rat an die vielen gestressten Menschen, die irgendwie selbst in der Freizeit nicht zur Ruhe kommen. Das Konzept brachte sie zahlreichen Zuhörern im KCC in Reith näher.

„To-Do-List“ auf der Ferienreise

„Man fährt auf Urlaub, aber das Tempo der Arbeit ist innen immer noch drinnen“, sagt Wöss gegenüber dem Kitzbüheler Anzeiger. Gerade zu Beginn eines Urlaubs seien viele Menschen noch im „Erledigungsmodus“: Sehenswürdigkeiten abklappern und Erinnerungen sammeln, Gipfel im Eiltempo erstürmen und vieles mehr.  „Dieses innere Tempo wird aus dem eigenen Ehrgeiz und den eigenen Erwartungen gespeist, aber auch vom Tempo der äußeren Welt bestimmt.“ Da hänge man unwillkürlich mit:

Ob es die Taktungsgeschwindigkeit im alltäglichen Verkehr ist oder der Druck aus der Chef-etage – äußere Einflüsse lassen das innere Gleichgewicht ebenfalls ins Wanken geraten.  Immerhin gibt es etwas Trost: Nach etwa einer Woche gelingt es den meisten, sich richtig zu entschleunigen und ein Erholungseffekt tritt ein. Kurzurlaube sind daher oft nicht ausreichend, um wirklich Atem zu schöpfen. Denn die Anreise stellt schon einen Stressfaktor dar, bzw. alle Dinge, die in ein kurzes Wochenende gepackt werden müssen.

„Es wäre vielleicht für viele gescheiter, nicht so weit zu fahren, sondern in der Nähe und in einer Umgebung zu bleiben, die ruhig ist.“ Wöss skizziert u.a. das Bild einer Almhütte. Ideal ist es, rein gar nichts mitzunehmen, das ablenkt. „Wenn nichts zu tun ist, spürt man das innere Tempo sofort.“ Unruhe und ein starkes Bedürnis nach Betätigung sind oft die Folge. Nach einigen Tagen gewöhnt sich der Mensch an die neue Lage „und der Blick öffnet sich. Das ist wirklich ein beglückendes Gefühl – wahres Innehalten. Man befindet sich dann in einem Raum, wo man nicht vor oder zurückschaut, sondern ganz in der Gegenwart ist.“

„Zwischenräume“ schaffen

Einfach nur einmal Sein, Innehalten und nichts tun – im Klartext: Langeweile aufkommen zu lassen ist keine eben leichte Übung, aber sie gelingt immer besser, je öfter man sie praktiziert. Fleur Wöss singt ein Loblied auf die sogenannte Langeweile, sie ist in der heutigen Zeit der sozialen Medien direkt abhanden gekommen. Sich nicht dauernd mit What‘s App-Nachrichten oder Videos abzulenken, erfordert Disziplin. Sie kann auch im Alltag nützlich sein, um auch während des Arbeitstages hin und wieder eine kleine Auszeit zu nehmen.  Ideal ist zum Beispiel eine Parkbank. „Wichtig ist, im Moment zu sein. Die Japaner nennen das ‚Zwischenraum‘: Das bezeichnet die Zeit, in der überhaupt nichts passiert“, erläutert Wöss. Früher habe sich das ohnehin ergeben, nun ist der arbeitende Mensch dauerhaft „online“. Einmal die Woche einen Freiraum im Terminkalender kann Wunder wirken. Man muss es nur wollen ... und schaffen!     
Elisabeth Galehr

Bild: Fleur Sakura Wöss ist Autorin des Buches „Innehalten – Zen üben, Atem holen, Kraft schöpfen“. Foto: KCC/Raffeiner

 
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