Kitzbüheler Anzeiger
05.06.2017
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Inklusion spaltet die Lebenshilfe

Die Lebenshilfe stellt die Weichen im Bezirk neu: Menschen mit Behinderung sollen mehr in die Gesellschaft integriert werden. Neu müssen die Weichen nun auch im Vorstand des Vereins gestellt werden, denn dieser trat letzte Woche zurück.

Bezirk | Mittels offenem Brief, der auch im Kitzbüheler Anzeiger abgedruckt wurde, legte Markus Rottenspacher seine Obmannschaft im Verein Lebenshilfe letzte Woche zurück. Mit ihm stellte auch der gesamte Vorstand seine ehrenamtlichen Tätigkeiten ein. Rottenspacher will sich gegenüber dem Kitzbüheler Anzeiger zu den Beweggründen vorerst nicht weiter äußern und verweist auf den offenen Brief, in dem er schreibt, dass es seit geraumer Zeit zu unterschiedlichen Sichtweisen zu den anstehenden großen Umstrukturierungen in der Region gekommen ist. „Entscheidungen, die durch die Regionalleitung ausschließlich im Alleingang getroffen werden, kann ich großteils weder gutheißen, noch mittragen“, so der scheidende Obmann und schreibt weiter, dass eine ehrenamtliche Mitgestaltung in der Lebenshilfe unerwünscht sei. Er könne aus diesem Grund verängstigten und unsicheren Menschen, die sich vertrauensvoll an ihn wenden, weder Erklärungen noch Lösungen anbieten.

Der Schritt wird von allen Seiten bedauert

Konkret geht es um verschiedene Ansichten beim Thema Inklusion. Wie der Kitzbüheler Anzeiger bereits berichtete, möchte die Lebenshilfe Menschen mit Behinderung mehr in die Gesellschaft integrieren. „Die Umstrukturierung der Lebenshilfe wird sehr behutsam und transparent abgewickelt. Wir waren nicht immer einer Meinung. Ich bedauere den Rücktritt vom Vorstand sehr“, nimmt Regionalleiter Markus Themel dazu Stellung.

Auch die Lebenshilfe Tirol Gem. GmbH teilte via Presseaussendung mit, dass der Rücktritt des Vereinsvorstandes im Bezirk Kitzbühel bedauert wird. „Wir haben die Arbeit des örtlichen Vorstandes um Markus Rottenspacher geschätzt. Das ehrenamtliche Wirken im Verein und der persönliche Einsatz von Eltern und Angehörigen war und ist für die Lebenshilfe ein wesentlicher Wert, deshalb bedauern wir diesen Schritt besonders“, so Geschäftsführer Georg Willeit.

In allen Regionen Tirols hat die Lebenshilfe einen Prozess zur Modernisierung ihrer Angebote im Arbeits- und Wohnbereich eingeleitet. Die Lebenshilfe will weg von den Großinstitutionen, wie Werkstätten und Wohnheime. Entsprechend den Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention und der Qualitätsstandards des Landes Tirol setzt die Lebenshilfe nun verstärkt auf kleinere Strukturen und mobile Begleitung. „Hier geht es um ein Menschenrecht, dem wir nachkommen“, betont Regionalleiter Themel.

Keine Großwerkstätten und Wohnheime mehr

Auch im Bezirk Kitzbühel waren in den letzten Monaten deshalb Schritte der Neuorientierung erforderlich. Die Werkstätte in Oberndorf mit derzeit 56 Klienten zählt zu den größten Arbeitseinrichtungen der Lebenshilfe. Die großen Werkstätten und Wohnhäuser entsprechen weder den heutigen Infrastruktur- noch den Inklusions-Anforderungen, teilt die Lebenshilfe mit. Brandschutzauflagen, fehlende Barrierefreiheit und der damit zusammenhängende hohe Sanierungsbedarf seien weitere Faktoren, die eine Neuausrichtung unumgänglich machen. „Diese operativen Entscheidungen hat grundsätzlich die GmbH zu treffen und zu verantworten. Die Umstrukturierung zur Werkstätte Oberndorf wurde bei einem Treffen vor Ort am 18. April im Beisein der Vereinsverantwortlichen beschlossen“, erklärt Willeit.

Gleiches gilt für den Wohnbereich. „Wir sehen es als unsere Aufgabe, den Menschen die Teilhabe an der Gesellschaft weitestgehend zu ermöglichen. Das bedeutet, Menschen mit Behinderungen sollen im Idealfall selbstbestimmt, etwa in Wohngemeinschaften, leben können“, veranschaulicht Willeit. In Kitzbühel werden schon jetzt mehr Menschen mobil begleitet, als stationär. „Klar, gibt es bei manchen Klienten und Angehörigen auch Unsicherheiten bezüglich der Veränderungen, die Grundstimmung bei allen ist jedoch positiv“, betont Regionalleiter Themel.

„Wir nehmen die Situation sehr ernst“

Der Verein Lebenshilfe ist Eigentümer der Tochtergesellschaften „Lebenshilfe Tirol gem. GmbH“ und versteht sich als Interessensvertreter von Menschen mit Behinderung. Auch Vereinspräsident Peter Heidler bedauert den Rücktritt des Kitzbüheler Vorstandes. „Es kann zu Unstimmigkeiten kommen, solche Differenzen sollten aber befruchten. Wir nehmen die Situation ernst und es leiten sich aus diesem Schritt einige Fragen und Themen ab“, erklärt Heidler. Der Verein stehe voll und ganz hinter der gestarteten Umstrukturierung, betont der Präsident. „Wir arbeiten mit der operativen GmbH Hand in Hand. Die Umstrukturierung ist ein wichtiger und notwendiger Schritt“, sagt der Präsident.

Verein und GmbH sollen Hand in Hand arbeiten

Nun muss ein neuer Vorstand im Bezirk Kitzbühel gewählt werden. Ganz nach dem Motto der Lebenshilfe „Miteinander und Füreinander“ soll dann auch die Zusammenarbeit auf Bezirksebene zwischen GmbH und Verein wieder fruchten, wünscht sich Heidler.
Johanna Monitzer

 
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