Kitzbüheler Anzeiger
04.07.2016
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Gemeindeführung sagt bedingt Ja

Der Gemeinderat entschied sich vorerst, 16 geflüchtete Menschen für drei Monate „auf Probe“ in das Haus einziehen zu lassen. Mit dieser Lösung könnten die Besitzer aber ihr Angebot aus wirtschaftlichen Gründen zurückziehen.

St. Ulrich | Die Entscheidung, ob und wie viele geflüchtete Menschen in St. Ulrich ein neues Zuhause auf Zeit finden könnten, fiel am vergangenen Donnerstagabend im Gemeinderat. Nach längerer Diskussion sprachen sich elf der dreizehn Gemeinderäte in einer geheimen Abstimmung für die Aufnahme von Flüchtlingen unter gewissen Bedingungen aus.

Mitspracherechte für die Gemeinde St. Ulrich

So möchte die Gemeinde vertraglich verankern, dass nur Familien nach St. Ulrich kommen dürfen und die Gemeindeführung jedem Bewohnerwechsel zuerst zustimmen muss. Auch möchten sie vertraglich festlegen, dass die Unterkunft nur für geflüchtete Menschen genützt wird, die eine Chance auf Asyl haben. „Wir wollen zum Beispiel keinen Menschen aus Marokko Unterkunft bieten, die sowieso wieder abgeschoben werden“, erklärt dazu Bürgermeisterin Brigitte Lackner. Aber der wichtigste Bestandteil des Vertrages ist die Vereinbarung einer Probezeit. Die Gemeinde will vorerst 16 Menschen für drei Monaten „auf Probe“ aufnehmen und schauen, ob es funktioniert. „Falls ein Zusammenleben funktioniert, wollen wir das Kontingent nach drei Monaten auf 25 Menschen aufstocken und erfüllen damit unsere Quote“, erklärt Lackner.

Zieht die Familie das Angebot zurück?

Ein Vorschlag, dem der Besitzer der in Frage kommenden Liegenschaft nur wenig abgewinnen kann, wie er während der Gemeinderatssitzung den Mandataren klar zu machen versuchte. „Ich habe insgesamt vier Wohnungen zu vermieten, die Platz für 25 Personen bieten würden. Eine Probezeit mit 16 Personen und eine ungewisse Zukunft kommt für mich aus wirtschaftlichen Gründen nicht in Frage. Ich werde dann das Angebot zurückziehen“, betont der Besitzer. Die Familie weist darauf hin, dass der Mietvertrag mit den Tiroler Sozialen Diensten, die die Flüchtlingsbetreuung im Auftrag des Landes Tirols  übernommen hat, nicht für ein „ganzes Leben sei, sondern nur für drei Jahre“.

Anrainer wollen die neuen Nachbarn nicht

Wohl auch aufgrund der Bürgerreaktionen will die Gemeindeführung zuerst eine Testphase, denn die Bedenken bei den direkten Anrainern sind noch immer groß. Vor der Gemeinderatssitzung wandte sich eine Gruppe von betroffenen Anrainern an den Kitzbüheler Anzeiger. „Wir sind solidarisch gegenüber Flüchtlingen, nur können sie nicht in einem Wohngebiet untergebracht werden“, erklärt ein Anrainer im Gespräch mit dem Kitzbüheler Anzeiger (Name der Redaktion bekannt). Die Anrainer befürchten, dass mit den geflüchteten Menschen Gewalt und Verbrechen Einzug hält. Wovor sie genau Angst haben, könnten sie jedoch nicht sagen. „Man hört ja täglich neue schlimme Meldungen“, erklärt eine Anrainerin. Kontakt mit geflüchteten Menschen hatten sie bisher noch keinen, wie sie erzählen.

„Die Stimmung kann schnell kippen“

Auch der extra zur Gemeinderatssitzung geladene Bundesheer Offizier, Thomas Abfalter, der u.a. selbst in Syrien war, begrüßt die Aufnahme von geflüchteten Menschen in St. Ulrich nicht bedingungslos, wie er vor dem Gemeinderat betont. „Ich appelliere an die Gemeinde, der Aufnahme zwar positiv gegenüber zu stehen, aber nicht blauäugig zu sein. Wenn bestimmte Personengruppen kommen, kann die Stimmung schnell kippen. Das Hauptaugenmerk sollte auf die Hilfe für Frauen oder Familien und Kinder gelegt werden“, so Abfalter.

Wertverlust der Immobilien befürchtet

Die Nachbarn befürchten auch einen Wertverlust ihrer Immobilien. „Wer soll denn hier noch wohnen wollen?“, so der einhellige Tenor. Die Gruppe der Anrainer würde sich für eine Containerlösung aussprechen und vermisst Alternativen der Gemeindeführung. Auf die Frage, wo die Container denn aufgestellt werden könnten, herrscht Ratlosigkeit. „Egal wo, nur nicht im Wohngebiet oder im Dorf“, so die Anrainer.

Bürgermeisterin will keine Containerlösung

Von einer Containerlösung hält die Dorfchefin nichts. „Ich kann mir das für uns nicht vorstellen und diese Möglichkeit wird auch nicht verfolgt“, erklärt Lackner. In St. Ulrich besitzt übrigens weder das Land, noch der Bund direkt Liegenschaften, somit gibt es auch keine Möglichkeit, dass das Durchgriffsrecht Anwendung findet. Lediglich das Ferienheim der TIWAG, ein Unternehmen des Landes, gibt es in St. Ulrich. Dass darauf Zugriff genommen wird, hält Lackner aber für nicht realistisch.

Gibt es sonst Alternativen für die Unterbringung von geflüchteten Menschen? „Nein, es hat sich niemand gemeldet“, so Lackner und fügt an,“dann können wir halt keinen aufnehmen“.
Johanna Monitze, Foto: Wörgötter

 
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