Kitzbüheler Anzeiger
29.03.2019
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Eine Suche nach dem Dazwischen

Gibt es einen Raum, in dem hohe Schwingungen und andere Frequenzen wirken? Gibt es einen Ort, wo Körper, Geist und Seele in Balance sind, wo sich die Gegensätze wie Licht und Schatten, Liebe und Leben, Leben und Tod, Alt und Neu vereinen? E.T.A. Hoffmann sagte einmal: „Wer wagt, durch das Reich der Träume zu schreiten, gelangt zur Wahrheit.“

Kitzbühel | Der Künstler Friedrich Sebastian Feichter (*1962) ist jemand, der durch dieses Reich der Träume schreitet. Er sucht nach der Wahrheit und mutiert damit zum Grenzgänger. Vergangenen Oktober stellte er in Kitzbühel erstmals seine Werke aus. Zwei seiner Skulpturen haben den Heimweg nach Luttach noch nicht angetreten. Sie sind zwischenzeitlich in Kitzbühel geblieben und flankieren den Eingang zum Kompetenzzentrum in Kitzbühel.

Als Mensch ist Feichter einerseits tief mit seiner Heimat in Luttach im Ahrntal verwurzelt, er respektiert die Traditionen und das kulturelle Erbe seiner Südtiroler Region, er strebt aber auch in andere Welten. Dieses Streben ist immer ein Besuch auf Zeit: einen Moment lang, einen Traum lang, eine Reise in andere Sphäre.

Dabei spürt er die schmalen Grate zwischen den Welten auf und thematisiert sie in seiner Kunst.

Die Skulpturen strahlen Harmonie aus

Seine Skulpturen voller grotesker Gegensätze strahlen eine erstaunliche Harmonie aus. Sie wirken kompakt und federleicht zugleich und versuchen, der Schwerkraft zu trotzen. Zierlich, elegant, schillernd, zeitlos und erhaben erobern sie jeden Raum.

Dabei gelingt dem Künstler, mit Bedacht auf die perfekte Form, Lindenholz, Metall und Kunststoff zu bannen und überlebensgroße Skulpturen entstehen zu lassen.

Wesen zwischen Realität und Utopie

Die Skulpturen selbst interagieren in faszinierender Weise mit dem Betrachter und vermitteln zwischen Realität und Utopie. Sie präsentieren sich als Wesen zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Himmel und Erde, zwischen oben und unten, zwischen Vergangenheit und Zukunft. Die Formen der Natur macht Friedrich Sebastian Feichter zu seiner Kommunikationssprache. So wie sich die Natur von innen nach außen erschafft, so wirken auch seine Skulpturen als eine emotionale Transformation zur äußeren Erscheinungsform. Sie präsentieren sich als Spiegel einer Innen- und Außenwelt und offenbaren Gegensätze, die wir täglich erleben.

Friedrich S. Feichter arbeitet in Zyklen

Feichter arbeitet immer in Zyklen. Seine Skulpturen widmen sich im Wesentlichen zwei grundlegenden Begrifflichkeiten: Zeit und Raum. Seine Arbeiten aus dem Zyklus „Homo Solais“ – oder auch Sonnenmenschen – wirken, wie wenn sie aus dem Leben entspringen. Ihre Urform – meist die organische Kapsel – oder Sichelform, ein Kokon, der einerseits der Schwerkraft trotzt und doch mit fragilen Beinen und Rüsseln den Kontakt zur Mutter Erde sucht. Durchflutet werden sie von einer positiven hellen Energie – der Energie der Sonne.

Ausdruck fleischlicher Begierde

Im Gegensatz dazu die „Homo Lunaris“ –  die Mondmenschen sind ein körperhafter Ausdruck von fleischlicher Begierde. Die Skulpturen sind Manifeste der Umwandlung – einer Umwandlung von Materie zum Geist und umgekehrt. Sie sind Reisende zwischen den Welten und Entführer in eine Welt der Genüsse, der Abgründe, der Gefahren.

Der letzte Zyklus seines künstlerischen Schaffens widmet sich ganz der Form und der Beziehung zum Raum. „Lamellen“ und „Cocoon“ sind ein Experiment, das der Betrachter selbst durchführen kann. Je nachdem, welchen Standpunkt man einnimmt – die Antwort der Skulptur wird immer eine andere sein.

Mit den Positionen, die wir verändern, verändern wir unsere Blickwinkel und damit die Betrachtungsweise und Sicht der Dinge. Damit thematisiert der Künstler das pure Leben, das nicht immer linear verläuft.

Irritation, Schmunzeln, Verwunderung

Im direkten Diskurs mit Feichters Skulpturen kann es durchaus passieren, dass man vor einigen Werken irritiert stehen bleibt, verwundert den Kopf schüttelt oder auch schmunzelt und zustimmend mit der Formensprache des Künstlers das Kunstwerk bestätigt. Von manchen Figuren fühlt man sich angezogen, andere wirken wiederum abstoßend.

Sie ermuntern zu unterschiedlichen Zugängen, fordern eine ordentliche Portion Ironie und zeigen, dass ein und dasselbe Thema viele verschiedene Zugänge und Betrachtungsmöglichkeiten offenbart.

Ganz im Sinne des deutschen Film- und Theaterregisseurs Christoph Schlingensief, der einmal meinte: „Kunst wird erst dann interessant, wenn wir vor irgendetwas stehen, das wir nicht gleich restlos erklären können.“

Bild: Die Formen der Natur macht Friedrich Sebastian Feichter zu seiner Kommunikationssprache. Foto: Feichter

KunstBlicke
Mag. Martina Dorner-Bauer ist Kunsthistorikerin, Ausstellungskuratorin, Autorin, Betreuerin
div. Kunstsammlungen und Gründerin der Agentur DieKunstagenten.
martina@diekunstagenten.at    

 
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