Kitzbüheler Anzeiger
12.12.2016
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Ein Zeichen gegen das Wegschauen

Mit Kerzen und selbstgebastelten Plakaten wurde eine friedliche Mahnwache vor dem Gemeindeamt in St. Johann abgehalten. Ein Zeichen gegen das Vergessen und Wegschauen.

St. Johann | „Stop killing Hazar“ (Beendet das Töten von Hazar) steht auf einem Banner. Ein Meer aus Kerzen formt den Hilfeschrei. Mit großteils dünnen Jacken bekleidet, harrten über zwanzig afghanische Asylwerber trotz eisiger Temperaturen am Mittwochnachmittag vor dem Gemeindeamt in St. Johann aus. Die Gruppe, die auch von einer Handvoll Einheimischer unterstützt wurde, will auf das Leid der afghanischen Volksgruppe Hazara aufmerksam machen. „Letzte Woche wurden wieder 100 Menschen bei einem Terroranschlag in Afghanistan getötet. Drei Wochen davor kamen rund 60 unserer Landsleute ums Leben“, erzählt Hosseini Jafar Ali dem Kitzbüheler Anzeiger auf Englisch.

Meldungen werden nicht mehr „gehört“

In den Medien gehen solche Meldungen meist unter. Zusammen mit seinem Freund Jafari Ali Reza, der ebenfalls in St. Johann in einer Flüchtlingsunterkunft untergekommen ist, hat er die friedliche Solidaritätsbekundgebung für ihr Volk initiiert. Unterstützung für die Behördengänge bekamen die beiden Asylwerber von ehrenamtlichen Helfern in St. Johann.

Ali und seine Mitstreiter wollen zeigen, dass sie ihr Heimatland nicht vergessen haben. Die meisten mussten aufgrund der finanziellen Möglichkeiten und des gefährlichen Fluchtweges ihre Familien zurücklassen. Ali ist seit sechs Monaten in Österreich. Zweieinhalb Monate war er unterwegs, bis er nach Österreich gelangte. „Ich bin mit einem Boot über das Mittelmeer, dann weiter zu Fuß oder eingepfercht in LKWs“, erzählt der 25-jährige Afghane. Frau hat er keine, aber seine Eltern und Geschwister sind in Afghanistan. „Ich denke jeden Tag an sie und bete für sie“, erklärt Ali. Man merkt, dass es ihm nicht leicht fällt, von zu Hause zu erzählen.

In der Asylunterkunft in St. Johann fühlt er sich wohl. „Alle Menschen sind sehr nett. Wenn ich einen positiven Bescheid bekomme, möchte ich in St. Johann bleiben“, erklärt der junge Afghane. Um eine Zukunft hier zu haben, besucht er den angebotenen wöchentlichen, vierstündigen Deutschkurs. „Ich kann schon ein wenig sprechen, aber nicht so gut wie Englisch“, sagt Ali. Er würde gerne öfter Deutschkurse besuchen – das ist aber, solange er noch keinen positiven Asylbescheid hat, nicht möglich.

„Wir haben unsere Heimat nicht vergessen“

Dass die Männer, Frauen und Kinder mit ihrer Mahnwache vor dem Gemeindeamt in St. Johann die politische Situation in ihrer Heimat nicht verändern können, ist ihnen bewusst. „Vielleicht schaffen wir es, ein wenig aufzurütteln und wir wollen zeigen, dass wir unsere Heimat nicht vergessen“, so Ali. Zusammen mit den anderen hofft er auf Frieden in seinem Land, um dorthin zurückkehren zu können. „Country is like Mother“, sagt Ali.  Und plötzlich huscht über das Gesicht des jungen Afghanen ein kleines Lächeln.  
Johanna Monitzer

Bild: Über zwanzig Afghanen und eine Handvoll Einheimische harrten am vergangenen Mittwochnachmittag vor dem Gemeindeamt in St. Johann aus, um auf das Leid der afghanischen Volksgruppe Hazara aufmerksam zu machen. Immer wieder kommt es in Afghanistan zu Terroranschlägen.  Foto: Monitzer

 
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