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Kitzbüheler Anzeiger
22.04.2019
News  
 

Ein Blick auf das 24-Stunden-Modell

Die Helferin aus dem Ausland, die rund um die Uhr für den eigenen Angehörigen da ist: Dieses Modell ist im Bezirk Kitzbühel weit verbreitet. Ohne es wäre die Seniorenbetreuung aktuell gar nicht denkbar. Deswegen warf die Regionalentwicklung Regio3 einen Blick auf Zukunftsperspektiven und Verbesserungspotenzial der 24-Stunden-Betreuung.

Oberndorf  | „Wird die 24-Stunden-Betreuung weiterhin eine wichtige Säule in der Pflege sein? Kann sie das überhaupt leisten? Und wie sicher ist das System in der Zukunft?“ Diese Fragen stellt sich eine aktuelle Studie des Instituts für Soziologie der Universität Innsbruck im Auftrag der Regio3.  Dazu wurden zehn Interviews mit Experten aus dem Pflege- und Betreuungsbereich in der Region geführt. Außerdem lassen die Forscher auch die Sicht der Angehörigen nicht zu kurz kommen – auch hierzu wurden Interviews geführt. Abgerundet wird das Bild durch eine quantitative Erhebung.  

Generell fällt zunächst eines auf, wie der Obmann der Regionalentwicklung, Sebastian Eder, herausstreicht:  „Im Bezirk Kitzbühel haben wir eine relativ hohe Betreuungszahl.“

Relativ hohe Zahlen im Bezirk Kitzbühel

Zwar läuft die 24-Stunden-Betreuung über den freien Markt ab, doch über die Wirtschaftskammer konnten schließlich einige Referenzwerte ermittelt werden. So gibt es aktuell im Bezirk rund 450 registrierte Betreuer, etwa 300 davon sind gerade aktiv gemeldet. Das entspricht einem Schlüssel von ca. vier bis fünf Betreuungsfällen pro 1.000 Einwohner. Der Österreichschnitt liegt bei lediglich drei Fällen pro 1.000 Einwohner.  Eder führt das auf den vergleichsweise hohen Altersschnitt im Bezirk Kitzbühel zurück. Während tirolweit 17,8 Prozent über 65 Jahre bzw. 2,3 Prozent über 85 Jahre alt sind, sind es in Kitzbühel 20,6 Prozent bzw. 2,6 Prozent.

Studienautor Bernhard Weicht zeichnet den Wandel des Modells seit den Anfängen in den 1990er Jahren nach: „Der Herkunftsort der Betreuerinnen hat sich geändert. Wir kommen immer weiter östlich.“ Somit ist bereits das erste Problemfeld umrissen: Auch in den östlichen EU-Ländern gibt es immer weniger Betreuerinnen, sobald aber Kräfte von jenseits der EU-Außengrenze vermittelt werden, gibt es steigende Verwaltungshürden. Je länger außerdem die Anfahrtszeit, desto länger bleiben die Betreuer am jeweiligen Einsatzort, was für sie wiederum eine große Belastung darstellt. Die Abwicklung der 24-Stunden-Betreuung läuft über Agenturen ab, über 800 davon sind in Österreich tätig. Die Transparenz, welche qualitativ gut oder schlecht sind, ist für den Kunden bzw. dessen Angehörige oft nicht einfach auszumachen.

System ist ein „Familien-Ersatz“

An sich erfreut sich das Modell bei den Klienten jedoch einer hohen Akzeptanz, wie auch Studien-Coautorin Birgit Bätz unterstreicht: „Das System dient als ‚Familien-Ersatz‘. Es entspricht dem Wunsch der Angehörigen nach Sicherheit für den Patienten – ‚Es ist immer jemand da‘.“ Gerade am Land wird die 24-Stunden-Betreuung gerne in Anspruch genommen. Viele Menschen leben in Einfamlienhäusern, wo die Betreuer einfach untergebracht werden können. Die Kehrseite ist allerdings die Herausforderung Mobilität. „Die Familienmitglieder sind schon gefordert“, hält Bätz fest.

Im Zusammenspiel zwischen Familien, Klient und Betreuungsperson kommt dem Sozialsprengel eine wichtige Funktion zu. Deswegen ist auch eine der zentralen Forderungen der Studie die nach einem „Case-Manager“. „Es ist wirklich wichtig, dass es eine Drehscheibe gibt, wo sich einer auskennt“, bestätigt auch Melanie Hutter von der Freiwilligenpartnerschaft Tirol. Ein derartiges Case-Management wurde bereits im Bezirk eingeführt, allerdings müsste es auch noch für das Pillerseetal und den Sprengel St. Johann kommen.  

Das Thema Pflege und Betreuung von Senioren ist für die Gemeinden „eine der drängenden Fragen der Zukunft“, sagt  Bgm. Stefan Jöchl, der Obmann des Planungsverbandes Leukental.  „Der Mangel an Pflegepersonal zieht sich überall durch“, ergänzt Jöchl. Sebastian Eder kann sich daher alternative Wohnformen vorstellen, bei der die ausländischen Betreuungskräfte gleich für mehrere Klienten zuständig sind „im Sinne eines 24-Stunden betreuten Wohnens“, so Eder. Zusätzlich eröffnet er eine Diskussion in Richtung der Kompetenzverteilung. Nicht immer ist den Betroffenen klar, was der Unterschied zwischen Pflege und Betreuung ist. Vorerst ist das 24-Stunden-Modell jedoch alternativlos. Elisabeth Galehr

Bild: Das Modell der 24-Stunden-Betreuung von Senioren ist im Bezirk weit verbreitet. Gaben Einblick in die Studie: Birgit Bätz und Melanie Hutter (vorne, v.l.) sowie Bgm. Stefan Jöchl, Regio3-Obmann Sebastian Eder u. Bernhard Weicht. Foto: Galehr

 
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