Kitzbüheler Anzeiger
16.03.2019
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Die Bretter, die die Welt bedeuten

Im Jahr 1919 öffnete sich der Vorhang der Volksbühne St. Johann zum ersten Mal. Obmann Christian Bergmann und die langjährige Spielleiterin Anneliese Neuner geben Einblicke  ins Theaterfieber – eine unheilbar schöne Krankheit.

St. Johann | Die Zeittafel, welche die Volksbühne St. Johann anlässlich ihres 100-jährigen Bestehens in ihrer Chronik veröffentlicht hat, ist lang. Über 150 Stücke wurden von der Laienbühne in Szene gesetzt. Seit 2018 steht Christian Bergmann der Volksbühne als Obmann vor. Zur Volksbühne kam der Theaterfan im Jahr 2004 durch die Familie Neuner. „Nach der Aufführung von ‚Kavalier am Steuer‘ hab ich beiläufig erwähnt, dass ich das auch gerne einmal ausprobieren möchte – und schon war ich dabei“, erzählt Bergmann.

Der nunmehr versierte Darsteller und Spielleiter erinnert sich: „Vor dem ersten Auftritt habe ich mich schon ein wenig gefürchtet, aber im Theaterverein bin ich so herzlich aufgenommen worden, dass es von Anfang eine Gaudi war.“ Seine Premiere feierte der Obmann im Stück „Hobby... was g‘sagt“. Das Episoden-Stück war ein unglaublicher Erfolg. „Obwohl uns mancher prophezeit hat, dass wir damit einfahren werden, weil allein der Bühnenaufwand enorm war“, erzählt die damalige Spielleiterin und langjährige Darstellerin Anneliese Neuner.

Was getraut hat sich die St. Johanner Volksbühne seit jeher: Ein enormer Aufwand, aber auch enormer Erfolg war z.b. die Inszenierung des Jedermanns in der Dialektfassung von F. Löser in der Hauptschule. „Über zwanzig Darsteller waren involviert. Die Leute reden heute noch davon“, blickt Neuner zurück. Unvergessen auch die Freiluft-Aufführungen des „Brandner Kaspers“ Anfang der 90er Jahre, wo der Boanlkramer mit einem schwarzen Rappen angeritten kam.

Hoppalas zum Lachen

Die beiden leidenschaftlichen Theaterfans haben viele Anekdoten zu erzählen. „Einmal ging eine Mitspielerin viel zu früh auf die Bühne. Ihre Mitspieler schauten sie daraufhin verdutzt an. Einer behielt die Nerven und fragte: Was machst du hier schon wieder? Daraufhin antwortete sie nüchtern: Dann geh ich halt wieder. Situation perfekt gerettet!“, schmunzelt Neuner.

Beim Stück „himmlische Beförderung war einem Darsteller der Hosenknopf wenige Minuten vor Vorstellungsbeginn ausgerissen. Lediglich eine kümmerliche Schnur hielt die Hose um die Hüfte fest. „Jeder hat natürlich gehofft, dass er nicht plötzlich in Unterhosen auf der Bühne steht“, lacht Bergmann. Der Obmann schlüpfte auch schon kurzfristig in eine Frauenrolle, weil besagte Darstellerin kurzfristig erkrankte: „Mit Textbuch in einem Ordner versteckt sowie durch die Mithilfe der Dialogpartner ist auch diese Vorstellung geglückt.“  

Wenn der Spielleiter die Nerven verliert

Als Theaterspieler braucht man gute Nerven, Obmann Bergmann verliert diese nur, wenn einer seiner Schützlinge den Text nicht lernt oder auf der Bühne zu lachen beginnt. „Lachen geht gar nicht. Wenn man einen Fehler auf der Bühne gemacht hat, heißt es improvisieren. In den meisten Fällen kriegen die Zuschauer es dann gar nicht mit.“

Neue Spieler, besonders Männer, werden gerne aufgenommen, denn groteskerweiser gibt es in den meisten Stücken mehr männliche als weibliche Rolle. In St. Johann hilft man sich dann damit, dass z.B. wie im aktuellen Stück ein Bürstenbinder zur Bürstenbinderin gemacht wird.

Vor der Vorstellung gibt´s ein Schnapserl

Bevor sich der Vorhang hebt gehört ein Schnapserl zum Ritual. „Wir sind ein netter Haufen, wo es immer viel zu lachen gibt. Auch abseits der Aufführungen treffen wir uns z.B. beim Theater Stammtisch,“ erzählt Bergmann.

Um ein passendes Stück zu finden, werden wochenlang Skripte studiert. „Das können schon einmal 30 oder 40 Stücke sein, die man sich durchliest, bis man das passende findet“, rechnet Bergmann vor. Für das 100-jährige Jubiläum hat der Obmann das Stück „Da Weltverdruss“ von Peter Landstorfer ausgewählt. „Viele kennen das bekannte Volkslied, welches auch im Stück vorkommt“, erklärt Bergmann. Die Volksbühne St. Johann wird zum Jubiläum somit auch musikalisch glänzen.

Und noch eine Premiere gibt es zum Jubiläum: Zum ersten Mal wird heuer in der Alten Gerberei gespielt: „Wir wollten schon lange einmal in der Gerberei spielen, weil es kleiner und familiärer ist - heuer hat uns der Zufall mitgespielt, denn im Kaisersaal gab es nicht genug Termine für uns. Wir sind gespannt, wie die Atmosphäre sein wird. Es ist ein Versuch,“ erklärt Bergmann.  

Traum: „Jedermann“ vor der Kirche

Was wünscht sich die Volksbühne St. Johann für die Zukunft? „Ein Ziel ist es sicher, mehr Leute zum Theaterspielen zu motivieren. Bei uns ist jeder willkommen. Wir finden für jeden eine Rolle. Dann könnten wir auch größere Inszenierungen und vielleicht zwei Stücke pro Jahr machen.“ Ein Traum von Obmann Bergmann wäre es, den Jedermann noch einmal auf einer Freiluftbühne vor der Kirche aufzuführen.

Im Moment gebührt aber die ganze Konzentration des Ensembles dem neuen Stück „Da Weltverdruss“, welches am 22. März Premiere feiert. „Die Hauptaufgabe einer Laienbühne ist es, die Besucher aus ihrem Alltagstrott zu holen – wir hoffen das gelingt uns mit diesem Stück wieder“, so Bergmann. Toi, Toi, Toi! Johanna Monitzer

Bild: Das Ensemble der Volksbühne St. Johann fiebert schon der Premiere am 22. März von „Da Weltverdruss“ entgegen. Foto: Volksbühne St. Johann

Daten & Fakten
100 Jahre – ein Blick zurück
St. Johann | Die Volksbühne St. Johann ist untrennbar mit dem Namen Peter Thaler (1891 - 1978), Kunst- und Dekorationsmaler, verbunden. Er war damals schon Mitglied bei der Theatergesellschaft von Anton Feller und gründete im Februar 1919 die „Leukenthaler Volksbühne“.

Peter Thaler war Obmann, Spieler, schrieb und inszenierte Stücke. In den 1920 und 1930 wurden die großen Volksschauspiele von Anzengruber bis Schönherr sowie auch Singspiele zum Besten gegeben.

Nach dem Anschluss Österreichs an das deutsche Reich wurden ihnen die Stücke vorgeschrieben, und so kamen in der Zeit nur politisch harmlose und bäuerliche Stücke zur Aufführung. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde in St. Johann dann aber das traditionelle Volksschauspiel wieder aufgenommen. Meist Stücke mit viel Tanz, Gesang und Situationskomik.
Mitte der 60er Jahre übernahm Hans Hauser die Obmannschaft und Hans Sammer wurde Spielleiter. In Sammers`s Ära wurden auch viele ernsthafte Stücke aufgeführt. Auf Hans Sammer folgten wechselnde Spielleiterin und anschließend Anneliese Neuner, die wieder vermehrt Komödien auf die Bühne brachte.

Seite 2018 fungiert Christian Bergmann als Obmann der Volksbühne. Der Verein zählt rund 50 Mitglieder.

Für die Geschichte der Volksbühne ist auch die Spielstättensuche charakteristisch – sie spielte schon an vielen verschiedenen Orten. Ihr Probelokal und fixe Heimat hat sie seit 2006 im Kaisersaal gefunden. Heuer spielt die Volksbühne aufgrund von Terminkollisionen zum ersten Mal in der Alten Gerberei. Quelle: Chronik Volksbühne

 
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