Kitzbüheler Anzeiger
09.04.2019
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Beton ist einfach sexy

Zeit ihres Lebens suchte die Architektin Zaha Hadid in ihren Bauwerken und Designs nach „der“ Formensprache der Moderne. Ihre Entwürfe wurden von Auftraggebern und Jurymitgliedern lange als „zu kühn“ abgelehnt, bis endlich die Zeit gekommen war, wo Gesellschaft, Kunst und Kultur für ihre Bauprojekte und ihre Designs bereit war. Am 31. März jährte sich ihr Todestag zum dritten Mal.

Tirol | Zaha Hadid (*1950 in Bagdad) verkörperte die Begriffe „Beharrlichkeit, Selbsttreue und Stehvermögen“. Sie stammte aus einer wohlhabenden Unternehmerfamilie aus Mosul (Irak). Sehr früh hatte sie den Wunsch verinnerlicht, Architektin zu werden. Sie entwarf bereits als Kind die Einrichtung ihres Kinderzimmers, die dann von einem Tischlermeister mehrmals in Bagdad umgesetzt wurde.

1972-1977 führte sie das Architekturstudium an die Architectural Association School nach London, einer der einflussreichsten Bauschulen Englands. Einer ihrer Professoren – ein Verfechter des Neoklassizismus und Architekt von Prinz Charles – Leon Krier teilte so gar nicht ihr visionäres Verständnis einer Architektur der Moderne. Wohin sie sich mit ihren Entwürfen entwickeln wollte, demonstrierte sie in ihrer eindrucksvollen Diplomarbeit „Malewitschs Tektonik“ – ein frühes Projekt einer bewohnbaren Brücke über die Themse. Nach einigen Lehraufträgen als Dozentin und als Mitarbeiterin im Architekturbüro Rem Kohlhaas (ein ehemaliger Lehrer) bewarb sich Zaha Hadid bei einem Wettbewerb für das „Hongkong-Peak-Projekt“ – eine feudale Wohn- und Clubanlage, terrassenförmig im Felsmassiv über der Stadt angelegt. Den Wettbewerb konnte sie zwar mit ihrem innovativen Entwurf für sich entscheiden, die Umsetzung fiel jedoch den politischen Entwicklungen und der Rückgabe Hongkongs an China zum Opfer. Das Preisgeld von 100.000 US-Doller war ihr dennoch sicher. Es war das Startkapital für ihr erstes Architekturbüro, das sie 1980 in der britischen Hauptstadt eröffnete.

Entwürfe zu gewagt

Lange Zeit empfanden die Auftraggeber ihre Entwürfe als zu gewagt, andere streuten das Gerücht, dass ihre Architektur nicht umsetzbar, nicht „baubar“ sei. Bis zur Realisierung ihres ersten Bauwerkes sollte es allerdings noch eine ganze Weile dauern. Erst 1993 wurde ihr erster architektonischer Entwurf Wirklichkeit – das Vitra-Feuerwehrhaus in Weil am Rhein, das heute als Design-Museum genutzt wird.

Hadid wollte mit ihrer Architektur auf die wandelnde Kultur und die verändernden Lebens- und Arbeitsformen reagieren. Sie wollte beweisen, dass Architektur auch anders sein kann. Eine spektakuläre Reihe an Wettbewerbs-Siegen bestärkten sie in ihrem Verständnis eines neuen Bauens und doch fehlte seitens der Auftraggeber oftmals der letzte Funke an Mut und Selbstvertrauen zur Umsetzung. Zahlreiche Hadid-Projekte gingen über den Status des Entwurfs nicht hinaus, sie bestärkten allerdings ihren persönlichen „Walk of Fame“. Finanziell konnte Hadid diese Niederlagen nur durch zeitweilige Lehraufträge zwischen Hamburg und Harvard ausgleichen. Erst als arrivierte Architektin wurde sie mit der Leitung der Meisterklasse für Architektur an der Angewandten in Wien betraut (ab 2000). So konnte ihren Spirit und ihr Architekturverständnis bis zu ihrer Emeritierung 2015 an die nächste Architektengeneration weitergegeben werden.

Zaha Hadid blieb ihrer Überzeugung treu

Egal wie laut die Kritikerstimmen auch wurden, Hadid blieb ihrer Überzeugung treu. Sie konzentrierte sich auf innovative Bautechniken und -materialien, wie verdichteten Beton, Glas und Metall. Und sie ließ sich von ihrer konsequenten Suche nach neuen Formen einfach nicht abbringen. Mitte der 2000er Jahre wurden ihre Entwürfe organischer. Ihr Baustil und ihre Designs wirken als ineinanderfließende, mit kinetischer Energie geladene Linien. Die Architektin scheint sich der Schwerkraft zu widersetzten, ja sogar sie besiegen zu wollen und zollt mit ihrer Arbeit dem Credo ihres Künstlervorbildes Malewitsch Respekt, der meinte: „Wir können nur dann Raum wahrnehmen, wenn wir uns von der Erde loslösen, wenn der Auflagepunkt verschwindet.“ (1928).

In Tirol und Südtirol hinterließ Zaha Hadid markante Spuren. 2003 realisierte sie die Bergiselschanze in Innsbruck, wofür sie auch mit dem österreichischen Staatspreis für Architektur ausgezeichnet wurde. Es folgte 2004 auch die Auszeichnung mit dem Pritzker-Preis, der in seiner Bedeutung dem „Nobelpreis der Architektur“ gleichkommt.

Hungerburgbahn in Innsbruck

Von 2005-2008 folgte die Umsetzung ihres Entwurfs für die Hungerburg-Bahn in Innsbruck. Diese zukunftsorientierte Baukunst ist das beste Beispiel für Zaha Hadids Credo: „Das Wichtigste ist die Bewegung, der Fluss der Dinge, eine nicht-euklidische Geometrie, in der sich nichts wiederholt: eine Neuordnung des Raumes.“

Bild: Eine Anmutung von Gletschereis, die Hungerburgbahn in Innsbruck. Foto: www.guentheregger.at

KunstBlicke
Mag. Martina Dorner-Bauer ist Kunsthistorikerin, Ausstellungskuratorin, Autorin, Betreuerin
div. Kunstsammlungen und Gründerin der Agentur DieKunstagenten.
martina@diekunstagenten.at    

 
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