Kitzbüheler Anzeiger
16.12.2018
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Alfons Walde und die Erotik

Alfons Waldes ausdruckstarke Darstellungen seines unmittelbaren sozialen und geografischen Umfeldes sind weltbekannt. Dabei hat der Kitzbüheler Maler, Grafiker, Fotograf und Architekt künstlerisch noch mehr zu bieten. Seine Aktmalerei und Aktfotografie schlummert nach wie vor im Dunkeln.

Kitzbühel, Wien | Alfons Walde ist unbestritten ein Sohn des Tiroler Wilden Kaisers. In Oberndorf in Tirol 1891 geboren, wurde Kitzbühel bald zur Heimat seiner Familie. Dass Walde eine künstlerische Laufbahn einschlagen wird, zeichnete sich sehr früh ab. Nach der Realschule in Innsbruck ging er nach Wien, um dort an der Technischen Universität (1910–1914) zu studieren. Gerade in dieser Zeit konnte die Wiener Künstlerschaft rund um Gustav Klimt, Kolo Moser, Josef Hoffmann und Egon Schiele die Lorbeeren ihrer jahrelangen Arbeit für eine Freie Kunst ernten. Walde wurde von dieser konzentrierten künstlerischen Energie angezogen und begegnete Klimt, Schiele und dem Architekten Robert Oerley, die ihn nicht nur inspirierten, sondern auch förderten. Nach Ausbildungsjahren und Kriegsdienst kehrte Walde in seine Heimat zurück, wo er bis zu seinem Tod am 11. Dezember 1958 lebte und arbeitete.

Begehrte Walde-Bilder
Seine Gemälde – selbst Kleinstformate erzielen bei internationalen Auktionen mittlerweile Höchstpreise. Gerade bei der Kunstauktion Anfang Dezember im Auktionshaus Im Kinsky kam Waldes Bergbauer von 1933 um 70.000 Euro unter den Hammer. Die Bäuerinnen am Weg (um 1932) erzielten sogar beachtliche 160.000 Euro!
Warum Waldes Bilder für den Betrachter so ansprechend sind, liegt sicherlich an seiner klaren und positiven Bildsprache. Im Gegensatz zu seinem Kollegen und Zeitgenossen Albin Egger-Lienz zeigen Waldes Bilder seine strahlende Farbigkeit. Seine Werke bestechen einerseits durch den Einsatz von Komplementärfarben, also Farben, die sich gegenseitig in ihrer Leuchtkraft steigern (Gelb steigert sich mit Violett, Rot mit Grün und Blau mit Orange) und andererseits durch den Einsatz des Farbe-Nichtfarbe-Kontrastes (Unter Nichtfarbe versteht man in der Farbenlehre Weiß und Schwarz). Zudem spielt Walde mit dem bewussten Einsatz von Sichtachsen und Diagonalen. Herausragende Beispiele für Waldes künstlerische Techniken sind die Anfang Dezember versteigerten Gemälde im Auktionshaus Im Kinsky.

Alfons Walde und die Aktmalerei
Waldes Interesse galt nicht nur der beeindruckenden Kitzbüheler Berglandschaft zu unterschiedlichsten Jahreszeiten, dem Wintersport und den Charakteren der Bevölkerung der früheren Gamsstadt. Waldes künstlerisches Repertoire erstreckt sich auch auf den Bereich der Aktmalerei und Aktfotografie, ein Metier, das bislang in der Öffentlichkeit wenig bekannt ist. Kunstexperten und Walde-Fachleute bezeichnen vor allen diese Sparte als einen unterschätzten Bereich seines Oeuvres.

Ein großes Interesse am weiblichen Körper
Walde hegte großes Interesse am weiblichen Körper – das belegen zahlreiche Modellskizzen und Aktstudien, die in ihrer künstlerischen Sprache und im Bildaufbau vielfach auch seine Bekanntschaft und die Inspiration durch die Wiener Künstler Klimt und Schiele verdeutlichen. Eine Vielfalt an Aktgemälden entstand in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg zwischen 1918 und 1927. Sie sind Ausdruck einer üppigen Weiblichkeit, der erotischen Phantasie und eines engen, intimen Moments.Waldes Skizze Liebespaar versucht genau diesen innigen Moment zum Ausdruckw zu bringen. Mann und Frau – eng umschlungen – nehmen den an der Staffelei sitzenden Maler nicht wahr. Zu stark scheint das Gefühl der Extase. Liebespaar wie Künstler kehren dem eigentlichen Betrachter dieser kleinen Studie den Rücken.
Auch die Formatwahl wirkt nicht zufällig. Auf einer Größe einer Postkarte bannt Walde diesen Moment und verstärkt dadurch das Gefühl der Intimität und suggeriert den Eindruck eines zufällig erhaschten Blicks.

Aktdarstellungen wurden 1921 abgelehnt
Warum Walde den Bereich der Aktmalerei nicht öffentlich gemacht hatte, erklärt der Enkelsohn Michael Walde Berger mit einer nicht verstandenen Ausstellung 1921 im Kunstsalon Unterberger in Innsbruck. Die Aktdarstellungen wurden vom Publikum abgelehnt und so zog der Künstler diese Bilder sprichwörtlich aus dem Verkehr und malte seine Musen ausschließlich für seinen Freundeskreis und sich selbst.
Anfang der 1930er Jahre erwarb Walde eine Fotokamera und führte die künstlerische Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper von der Aktmalerei in die Aktfotografie über. Walde suchte dabei nicht nach dem perfekten menschlichen Körper, vielmehr interessierte ihn ein spannungsvoller Bildaufbau.
Bis 2014 schlummerten Waldes Aktfotografien unbeachtet in einer Kiste im Walde-Archiv, bis der Enkelsohn diesen Bilderschatz entdeckte und die Wiener Fotogalerie WestLicht eine sehr interessante Ausstellung präsentierte. Der umfangreiche Ausstellungskatalog „SCHAULUST“. Die erotische Fotografie von Alfons Walde (Herausgeber Peter Coeln) ist 2014 im Haymon Verlag erschienen und gibt mitunter auch Einblicke in das innige Verhältnis zwischen dem Künstler und seinen Musen.

KunstBlicke
Mag. Martina Dorner-Bauer, ist Kunsthistorikerin, Ausstellungskuratorin, Autorin, Betreuerin
div. Kunstsammlungen und Gründerin der Agentur DieKunstagenten.
martina@diekunstagenten.at     

Liebespaar vor der Staffelei (Vorderseite). Nach 1935/50er Jahre. Bleistift auf Papier, 9,8 x 14,2 cm (Bildausschnitt). Diese kleine und intime Zeichnung erzielte bei der Auktion beachtliche 2.100 Euro. Bilder /Rechte: „© Auktionshaus im Kinsky GmbH, Wien“

 
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