„16 Tage gegen Gewalt an Frauen“
Jede dritte Frau erlebt im Laufe ihres Lebens physische oder sexualisierte Gewalt. Im Rahmen der weltweiten Aktion „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ wird das Thema in den Mittelpunkt gerückt.
St. Johann | Bereits seit Jahren beteiligen sich die Clubschwestern des Soroptimist Club Bezirk Kitzbühel gemeinsam mit den Verantwortlichen des Mädchen- und Frauenberatungszentrums Bezirk Kitzbühel in St. Johann an der UN-Kampagne „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“. Ziel ist es, darauf aufmerksam zu machen, dass Millionen Frauen und Kinder weltweit täglich Gewalt ausgesetzt sind. Jedes Jahr vom 25. November – Internationaler Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen– bis zum 10. Dezember – Internationaler Tag der Menschenrechte – leuchten Gebäude weltweit unter der Devise „Orange the world“. Wie wichtig die Kampagne ist, zeigen die Zahlen deutlich – jede dritte Frau erlebt im Laufe ihres Lebens psychische oder sexuelle Gewalt.
Auch im Bezirk Kitzbühel ist das Thema aktueller denn je – laut Bezirkspolizeikommandant Martin Reisenzein wurden im Vorjahr rund 100 Betretungs- bzw. Annäherungsverbote ausgesprochen. Heuer waren es bisher 50. Die Dunkelziffer sei um ein Vielfaches höher, so Reisenzein. „Die Scheu, uns zu holen ist leider immer noch viel zu groß“, bedauert der Polizist. Wenn die Anzeige bei ihnen einlangt, „brennt schon der Hut.“
Geschulte Polizeibeamte bieten Hilfe an
Doch Gewaltopfer sollten sich nicht scheuen und sich helfen lassen. In jeder Polizeiinspektion sei ein sogenannter GIP-Beamter (Gewalt in der Privatsphäre) im Einsatz, an den man sich wenden kann. „Als 1997 das Gewaltschutzgesetz ins Leben gerufen wurde, wurden auch bei der Polizei die Schulungen gestartet. Die Beamten werden schon in der Grundschulung dafür ausgebildet, damit sie die Handlungssicherheit beim Einschreiten bekommen“, klärt der Polizeichef auf. Die Polizisten suchen das Gespräch mit Tätern wie Opfern. „Außerdem kontrollieren wir natürlich, ob das Betretungsverbot eingehalten wird“, betont Reisenzein.
Im Mädchen- und Frauenberatungszentrum Bezirk Kitzbühel in St. Johann finden Frauen Hilfe. Die Mitarbeiterinnen registrierten im Jahr 2023 rund 3.350 Beratungen. Wie Obfrau Renate Magerle erklärt, sind die Zahlen im heurigen Jahr ähnlich hoch. Sie weist darauf hin, „dass man unterscheiden muss, um welche Art von Gewalt es sich handelt.“ Die Arten von Gewalt reichen von körperlicher über sexuelle bis hin zu ökonomischer Gewalt. „Damit meine ich, dass viele Frauen von den Männern kein Geld in die Hand bekommen, wenn sie nicht selbst erwerbstätig sind“, stellt die Vereinsobfrau klar.
Erst seit heuer gibt es in der Statistik die Unterscheidung, ob es sich bei den Opfern um Frauen oder Männer handelt. „Leider haben wir aber hier keine genauen Zahlen. Statistisch sind die unterschiedlichen Arten von Gewalt nicht getrennt. Das ist eine Verschleierungstaktik, die von unserer Gesellschaft gewollt wird“, ist Magerle überzeugt. Frauen aber sprechen inzwischen mehr darüber, weil sie sich das nicht mehr gefallen lassen. Daher sind auch niederschwellige Beratungsangebote von enormer Wichtigkeit.
Im Rahmen der Kampagne fanden in der Vorwoche einige Veranstaltungen vor allem in St. Johann statt. Den Auftakt machte ein Filmabend in der „Alten Gerberei“. Auf Einladung der SPÖ-Frauen diskutierten nach dem Film „Morgen ist auch noch ein Tag“ unter der Moderation von Ingrid Tschugg Landesrätin Eva Pawlata, die Klinische Psychologin und Leiterin der Gewaltschutzgruppe im Bezirkskrankenhaus, Verena Hauser, sowie Andreas Schramböck von der Beratungsstelle „Mannsbilder“.
30 Patientinnen jährlich mit Gewalt-Verletzungen
Im Rahmen der internationalen Aktion lud die Gewaltschutzgruppe des Bezirkskrankenhauses St. Johann zu einer Netzwerkveranstaltung, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten und die Hilfsangebote für Betroffene zu verbessern.
Jährlich werden im Spital etwa 30 Patientinnen behandelt, deren Verletzungen eindeutig auf häusliche Gewalt zurückzuführen sind – auch hier liegt die Dunkelziffer vermutlich noch viel höher. Zudem mussten im Bezirk über 40 Anfragen nach Übergangswohnungen durch das Mädchen- und Frauenberatungszentrum wegen Platzmangels abgelehnt werden.
Nach einem Vortrag von Birgitt Haller (Institut für Konfliktforschung) fand eine Diskussionsrunde statt, an der Vertreter verschiedener Schlüsselorganisationen teilnahmen. Mit dabei auch Renate Magerle und Polizeikommandant Martin Reisenzein. Aynur Kilic (Gewaltschutzzentrum Tirol), Xaver Groll (Leitung der Notaufnahme BKH) und Verena Elvira Hauser (klinische Psychologin und Leiterin der Gewaltschutzgruppe des BKH) brachten ebenfalls ihre Expertisen ein.
Den besonderen Abschluss bildete die Verleihung der Urkunden an zehn speziell geschulte Gewaltschutzkontaktpersonen des Spitals. Hauser betonte die Bedeutung der Vernetzung: „Wir sind das ganze Jahr mit dem Thema häusliche Gewalt konfrontiert. Die Zusammenarbeit mit regionalen Organisationen ist essenziell, um Opfern schnell zu helfen.“
Die Veranstaltung machte deutlich, dass nicht nur Institutionen, sondern auch die Gesellschaft Verantwortung trägt. Wer häusliche Gewalt im Umfeld vermutet, sollte Mut zeigen und nachfragen. „Man kann nichts anrichten, sondern im besten Fall helfen“, appellierten die Experten.
In die Tourismusschulen am Wilden Kaiser lud der Förder- und Kulturverein in Kooperation mit dem Soroptimist Club zu einem Abend buchstäblich in Orange. Die Schüler hatten 60 Schüttbilder angefertigt, die an diesem Abend verkauft wurden. Der Erlös kommt dem Mädchen- und Frauenberatungszentrum zu Gute. Die Jugendlichen hatten auch verschiedene Sketche erarbeitet und einstudiert, die sich mit Gewalt befassten und zum Nachdenken anregten. Bereits im Vorfeld klärte Renate Magerle in verschiedenen Klassen über das Thema auf. Margret Klausner