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Kitzbüheler Anzeiger
27.08.2019
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...eine Suche nach dem Detail

Elemente der Vergänglichkeit, vermeintlich Unbedeutendes oder flüchtig eingefangene Momente, die im nächsten Augenblick auch schon wieder der Vergangenheit angehören. Dieser Eindruck entsteht, wenn man die Arbeiten der Südtiroler Künstlerin Heidrun Widmoser mit wachsamem Auge betrachtet. Der Kunstraum Hopfgarten präsentiert einen Querschnitt ihrer Arbeiten.

Hopfgarten | Die Malerin Heidrun Widmoser, eine Schülerin von Prof. Oswald Oberhuber und Prof. Ernst Caramelle, stellt bei ihren Bildern nicht zwangsläufig das Motiv in den Vordergrund. Sie lenkt den Fokus auf Beiläufiges, Unscheinbares – auf das, was andere einfach übersehen. Ihre Inspiration entnimmt sie den Orten, an denen sich Widmoser aufhält, die sie bereist oder die ihren Alltag begleiten.

Dabei wirken ihre Gemälde und Zeichnungen wie eine Momentaufnahme, wie ein plötzlich erhaschter Blick, der in ihren Bildern erstarrt und Ausdruck findet. Die ständig wechselnden Qualitäten der Farben und das Spiel mit dem Licht faszinieren und inspirieren die Künstlerin gleichermaßen. Nacht- und Nebelstimmungen, Reflexionen auf glatten aber auch flexiblen Oberflächen, wie Glasscheiben und Wasseroberflächen, finden in ihren Bildern Niederschlag.

Ausgangspunkt bildet eine Photographie

Dabei dient der Künstlerin als Ausgangspunkt immer eine selbst aufgenommene Photographie. Es ist der Anfang eines langen künstlerischen Prozesses, dem weitere intensive Arbeitsschritte der Bearbeitung und Reduktion folgen und der schließlich in einen aufwendigen malerischen Akt übergeht. Die Arbeit der Künstlerin beginnt nämlich dort, wo der Photograph meist aufhört. Widmosers Werke zeigen sich als abstrakter Photorealismus, weil sie an der Schnittstelle zwischen dem Photorealismus und der abstrakten Kunst sich verorten lassen. Dabei will die Malerin den Betrachter nicht zu einem besonderen Denken anregen, sondern ihn lediglich zu einem bewussten Schauen anleiten und zu ihren persönlichen Empfindungen und erlebten Momenten führen.

Heidrun Widmoser arbeitet in Serien

Widmoser, die in Serien arbeitet, fokussiert bei ihren Arbeiten ihr künstlerisches Auge immer wieder aufs Neue. In der kreativen Umsetzung nimmt sie ganz bewusst Abstand von der Technik der Collage. Vielmehr thematisiert sie die Technik einer Künstlergruppe rund um Mimmo Rotella und Wolf Vostell aus den 1960ern, die Abrisse und Neuverklebungen von Plakatwänden in einen anderen Zusammenhang setzten, neue Kunstwerke entstehen ließen und den Kunstbegriff der „Decollage“ begründeten. Ihr Zugang führt sie ausschließlich über die Malerei.

Dabei bedient sie sich einer sehr alten künstlerischen Technik: die altmeisterliche Malerei in Eitempera. Viele Künstler verwendeten diese Technik bereits in der Antike, Michelangelo und Leonardo da Vinci malten ihre Kunstwerke mit Eitempera-Farben lange bevor die Ölmalerei erfunden und weiterentwickelt wurde. Widmosers Bilder werden ausschließlich in dieser altmeisterlichen Technik gemalt. Diese sinnliche Farbherstellung – das Rezept der Farbmischung stammt übrigens vom Tiroler Maler Max Weiler – ermöglicht der Künstlerin in hauchdünnen Schichten zu arbeiten und besonders sanfte Schattierungen zu schaffen. Auch liefert das Medium die optimalen Voraussetzungen, durch schnell und langsam trocknende Partien, weiche Übergänge zwischen den einzelnen Farbtönen zu kreieren. Wie zahlreiche Künstler der Kunstgeschichte in der Vergangenheit auch, verwendet Widmoser den Beamer als Werkzeug für die Abstraktion in ihren Bildern. Sie bringt ihn gleich einem Bleistift zum Einsatz und macht sich die Kraft des Lichtes als Abstraktionsmedium zu Nutze.

Bewusstes Weglassen

Bewusstes Weglassen, das Spiel mit der bloßen Leinwand als Farbqualität ist vor allem ein zentrales Element bei Widmosers letzter Serie „Grossstadt.Landschaft“. Hier wird das Versiffte und dem Verfall Geweihtem umgepolt und anderwärtig zusammengestellt und kompensiert, um eine neue Wirkung entstehen zu lassen und in ihrer Wertigkeit umzukehren.

In diesem Zusammenhang steht auch die Kunstform des Graffito. Die Künstler, im Fachjargon als „Sprayer“ bezeichnet, wissen von Anbeginn, dass ihre Kunst im öffentlichen Raum stattfindet und nicht für die Galerie konzipiert ist. Es ist eine vergängliche Kunstform, denn ihre Bildwerke sind meist nur auf Zeit sichtbar, bis ein anderer Künstler diesen Raum für seine Kunst in Anspruch nimmt oder sie von der Gesellschaft abgelehnt und wieder übermalt wird.

Heidrun Widmosers Bilder versuchen, wenn auch nur im Kleinen, diese Vergänglichkeit einzufangen und den winzigen Details eine übergeordnete Bedeutung zu geben, um letztlich zu einem bewussten Sehen zu gelangen.

Bild: Heidrun Widmoser arbeitet in Serien. „Grossstadt.Landschaft.“, „Langsam Voraus“ und ihre Wasserbilder „Kein Titel“ werden im Kunstraum Hopfgarten gezeigt. Foto: Dorner-Bauer

KunstBlicke: Mag. Martina Dorner-Bauer ist Kunsthistorikerin, Ausstellungskuratorin, Autorin, Betreuerin div. Kunstsammlungen und Gründerin der Agentur DieKunstagenten.

 
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